Ilse Gassinger
Gerda Lampalzer
Anna Steininger

Österreich 1984
U-matic, 4:3, 30:00 min

 

Videoausschnitt :  01:01 min

Über Vergewaltigung

Das Video macht die Perfektion, die Geschlossenheit männlicher Herrschaft deutlich am Beispiel Vergewaltigung, dem krassesten Ausdruck der Unterdrückung von Frauen. Die harten Fakten – alle belegt – werden ergänzt durch Songs, Filmausschnitte, Ruhepausen für den Zuschauer. Im Vorspann: schemenhafte Konturen von Frauen, dazu ihre monotonen Stimmen aus dem Off, die das kaum Vermittelbare einer Vergewaltigung monologisieren: Gefühle der Demütigung, das Gefühl, eine toten Körper zu haben, die gewaltsame Auflösung der Persönlichkeit („ich bin gesperrt fürs ganze Leben.“) – Dann beginnt der eigentliche Film in Form einer Nachrichtensendung, konzipiert und gestaltet als Zeit-im-Bild-Metapher. Mit sachlich-kühlem Tonfall präsentiert eine Sprecherin Fakten zu Ungeheuerlichkeiten: Vergewaltigungen sind international – ob in den USA, im Nahen Osten, in Deutschland, in Österreich, jede Frau kann vergewaltigt werden, unabhängig von Alter, Aussehen, Lebenswandel – nur ein Prozent der Täter, meist im Bekanntenkreis zu finden, muss mit einem Urteil rechnen … Das fast perfekte Verbrechen. – Dann zur Lage in Österreich, wobei der österreichischen Gesetzgebung breiter Raum gewidmet ist. Bei uns wird jede Stunde eine Frau vergewaltigt, doch nur jedes vierte Opfer erstattet Anzeige. Die Frauen schweigen aus Angst vor der Umwelt, die sie für mitschuldig erklärt. Stigmatisiert sind die Opfer, nicht die Täter. Nach der Vergewaltigung die Konfrontation mit der Männerjustiz. Von Männern vergewaltigt, von ihnen verhört und vor Gericht zitiert. Ankläger ist der Staat, gerichtet wird der Übergriff auf die allgemeine Sittlichkeit und nicht der auf das sexuelle Selbstbestimmungsrecht der Frauen. Das Video verzichtet auf das Einzelbeispiel, das betroffen macht. Es objektiviert das Verbrechen und seine gesellschaftliche Dimension durch Informationen, die niemals in einer normalen Nachrichtensendung auftauchen würden.
Birgit Morgenrath in: Spektrum Film 1/85